DIE NEUE ZEIT IST BLAU - K O B A L T B L A I

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DIE NEUE ZEIT IST BLAU - K O B A L T B L A U - die neue Farbe des Herzens - ebenso der neue Klang, G-Dur. Schliessen Sie die Augen und sehen Sie in sich, wenn Sie den Regen auf dem Asphalt aufprallen hören. Kobaltblau wird die Farbe vor Ihrem inneren Auge sein...

Montag, 25. August 2014

Kuckuckskinder - psychische Folgen

Unser Monatsthema im Juni widmet sich jenen Menschen, die in unserer Gesellschaft mit dem entwürdigenden Begriff „Kuckuckskinder“ bezeichnet werden. Wann oder wie wird ein Kind zum Kuckuckskind? Wo befinden sich diese Kinder? Und weshalb wird kaum über dieses Phänomen gesprochen? Diesen drängenden Fragen gehen wir nach.

Begriff Kuckuckskind
„Kuckuckskind“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für ein Kind, dessen vermeintlicher Vater es grosszieht, ohne dass Vater und Kind von ihrer fehlenden Verwandtschaft wissen.
Die Bezeichnung "Kuckuckskind" wird von den Betroffenen als Stigma empfunden. Der Begriff ist aus der Tierwelt abgeleitet und distanziert sich damit vom Menschsein und vom menschlichen Schicksal; er schliesst zudem die Optik des Kindes aus.
Paradox ist, dass die Bezeichnung erst dann in Erscheinung tritt, wenn die Situation geklärt und genetisch bewiesen ist. Ein Kind wird als Kuckuckskind geboren, ohne dies zu erfahren. Es wächst in einer Familie auf in der Annahme, dass der Mann, der die Vaterrolle innehat, auch sein biologischer Vater ist. Die Mutter steht dabei in einem Loyalitätskonflikt zwischen ihrem Mann und ihrem Kind und verschweigt beiden die Wahrheit. Intuitiv spürt das Kind aber, dass etwas innerhalb der Familie nicht stimmt. Es fühlt ein Anderssein und empfindet eine undefinierbare Fremdheit.
Die Situation hat Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, da von der Mutter oft inkongruente Signale gesendet werden. Die widersprüchliche Resonanz dieser Signale hinterlässt beim Kind Spuren. Der Spannungsbogen ist weit gedehnt: die Verheimlichung beginnt mit der Zeugung des Kindes, häufig wird das Geheimnis von den Eltern mit ins Grab genommen. Viele Kuckuckskinder gelangen daher nie zur Gewissheit, dass ihr Vater nicht ihr biologischer Erzeuger ist.
Tabu Kuckuckskind
Die Kuckuckskinder – vielleicht wäre der Begriff "Geheime Kinder" besser – haben keine Lobby und ihre Schicksale gehen gerne vergessen. Obwohl sie unter ihrer Situation leiden, scheinen sie nicht auffällig zu werden, jedenfalls haben wir keine sozialwissenschaftliche Studien und Forschungsergebnisse gefunden. Wir sind aber auf berührende Erfahrungsberichte und literarische Texte gestossen.
Der Begriff "Kuckuckskind" ist bekannt und die meisten Leute wissen, dass es zahlreiche "geheime Kinder" gibt. Dennoch kennt kaum jemand eine betroffene Person. Es gibt viele Gründe, warum diese nicht in Erscheinung treten. Der wichtigste liegt darin, dass es sich um ein gesellschaftliches und familiäres Tabu handelt. Die biologischen Eltern ziehen es vor, ein grosses Geheimnis wissentlich mit sich zu tragen. Mit Hilfe der Lüge umgehen sie Unverständnis und Repressionen und schützen auf diese Weise ihren wirtschaftlichen und sozialen Status. Das Schweigen schützt sie davor, sich zu einem unehelichen Kind und somit zu einer ausserehelichen (Sexual-) Beziehung zu bekennen.
Die Psychoanalytikerin Katrin Nickeleit erklärt dies folgendermassen: "Eine Mutter, die ein Kuckuckskind verschweigt, bringt sich und das Kind in eine geheimnisvolle Beziehung. Auch wenn das Rätselhafte, das Dunkle nicht ausgesprochen wird, fühlt das Kind, dass es da etwas Rätselhaftes gibt. Damit hebt die Mutter das Kind in einen elitären Stand und überfordert es. Das ist nicht nur destruktiv, das Kind wird zudem missbraucht."
So wird mit dem Schweigen der Weg des geringsten Widerstands beschritten. Dieser vermeintlich beste Weg führt für alle Betroffenen zu einem immer grösser werdenden Dilemma. Die Lüge wird zum Verbündeten in einer scheinbar ausweglosen Situation.
Das Doppelleben der Eltern wird zum Damoklesschwert für die Kinder. Vor allem die Mütter begeben sich in ein lebenslängliches Dilemma, das gravierende Folgen für sie selber, für ihre Kinder und letzten Endes für die ganze Familie hat.
Sprachlosigkeit
Trotzdem kommt es vor, dass Kinder die Wahrheit über ihre biologische Herkunft erfahren. Was aber nicht heisst, dass dann innerfamiliär darüber gesprochen wird. Schliesslich handelt es sich um einen schmerzhaften und intimen Lebensabschnitt der Eltern. Es entstehen zwei unterschiedliche Bedürfnisse: Die Eltern möchten das Geschehen verdrängen, während es die Kinder aufarbeiten wollen. Verhindert bereits der innerfamiliäre Umgang eine Aufarbeitung, so ist ein Bekenntnis gegen aussen für die Kinder sehr schwierig und oft fast unmöglich.
Was kann unternommen werden, dass Kinder und Eltern aus einer solchen Täuschung herausfinden? Gibt es Anlaufstellen für Frauen, die ein Kuckuckskind erwarten? Gibt es Fachstellen und Fachpersonen für die Betroffenen? In der Schweiz existiert eine Selbsthilfegruppe für Kuckuckskinder, weitere Angebote sind uns nicht bekannt.
Gerne helfen wir deshalb mit, den betroffenen Personen eine Plattform zu geben. Senden Sie uns Ihre Kommentare und Anregungen – wir recherchieren und berichten weiter.

Kuckuckskinder „Gefühlt ist er mein Sohn“

Erst war da die Freude, dann kam das Misstrauen. Denn er fand nur wenige Gemeinsamkeiten zwischen sich und seinem Sohn. Es dauerte Jahre, bis er Gewissheit hatte: Sein Kind ist ein Kuckuckskind. Ein Vater berichtet.

© PATRICIA OETTELVergrößern
Es war Liebe auf den ersten Blick, zumindest von meiner Seite aus. Kennengelernt haben wir uns vor acht Jahren, ich war damals 28, sie 25. Sechs Wochen später habe ich ihr einen Heiratsantrag gemacht, nach vier weiteren Monaten war sie schwanger, und sieben Monate nach dem Antrag haben wir geheiratet. Heute weiß ich, dass ihre Aufenthaltserlaubnis kurz nach der Hochzeit ausgelaufen wäre. Sie ist Russin und studierte damals in Deutschland. Ich war es, der voller Freude bemerkte, dass sie schwanger war. Sie wollte bis zu diesem Zeitpunkt nichts davon gewusst haben. Kurz darauf erklärte sie mir, sie habe Gebärmutterhalskrebs und müsse operiert werden. Das Kind werde dabei sterben. Diese Diagnose erwies sich als falsch, so konnte das Kind weiterleben. Vier Wochen später kam die nächste Hiobsbotschaft: Das Kind habe ein Down-Syndrom, sie müsse abtreiben. Ich sorgte dafür, dass sie einen zweiten Arzt konsultierte, der die Wahrscheinlichkeit eines Down-Syndroms als nur leicht erhöht ansah. So stimmte sie zu, das Kind zu behalten, das im Mai 2004 zur Welt kam.
Als Johannes (Name geändert) ein gutes Jahr alt war, brach sie eines Abends, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, in Tränen aus und erklärte mir, für mich völlig unerwartet, sie liebe mich nicht mehr und wolle sich von mir trennen, was sie dann auch tat. Um den Stress für Johannes so gering wie möglich zu halten und auch, weil ich sie liebte, richtete ich ihr eine schöne eigene Wohnung ein und zahlte auch die Miete. Ihre Bankkarten konnte sie behalten und frei über mein Geld verfügen. Ich war damals selbständig und verdiente gut.
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Doch dann kam ich dahinter, dass sie mit meinem Trauzeugen liiert war. Nachdem ich durch Zufall mitbekommen hatte, dass sie diesem Mann Geld schenkte, sperrte ich mein Konto für sie. Stattdessen überwies ich ihr monatlich Geld. Daraufhin ließ sie mich Johannes vier Wochen lang nicht mehr sehen. So lange, bis wir mit Hilfe des Jugendamtes eine Umgangsregelung getroffen hatten. Dieser Betrug war für mich beruflich der Anfang vom Ende, denn ich hatte keine Energie mehr, neue Kunden zu gewinnen. Und zum ersten Mal stellte ich mir die Frage, ob ich wirklich Johannes' Vater sei.
Die ersten Zeichen
Wir kamen dann drei Monate später noch mal zusammen, aber die Beziehung hielt nicht lange, weil sie mich abermals betrog. Immer häufiger musste ich nun darüber nachdenken, ob sie mich nicht schon bei Johannes' Zeugung hintergangen hatte. Ich fühlte mich schuldig wegen dieser Gedanken, fand sie Johannes gegenüber unfair. Dennoch hielten sie sich hartnäckig. Denn ich fand nur wenige Gemeinsamkeiten zwischen mir und meinem Sohn, aber viele Unterschiede. Am befremdlichsten fand ich seine Segelohren, die er weder von seiner Mutter noch von mir haben konnte.
Vor vier Jahren zog sie dann zu ihrem neuen Freund - 360 Kilometer weit weg. Obwohl wir das gemeinsame Sorgerecht haben. Mit meiner Firma ging es danach immer weiter bergab, und so musste ich Ende 2009 die Unterhaltszahlungen reduzieren. Im Gegenzug reduzierte meine Ex meinen Umgang mit Johannes. Er konnte nur noch selten ans Telefon kommen, ihr Skype war angeblich kaputt, und eines Tages wollte sie ihn nicht herausgeben, als ich ihn abholen wollte. Da es für mich sehr teuer war, ihn regelmäßig abzuholen und zurückzubringen, überlegte ich, meine Firma aufzugeben und in Johannes' Nähe zu ziehen. Es schien mir die einzige Möglichkeit, ihn weiterhin regelmäßig sehen zu können. Bevor ich diesen Schritt tun würde, wollte ich allerdings noch eines tun: mir Gewissheit verschaffen, dass er wirklich mein Sohn ist.
Johannes fand es lustig
Am Telefon erzählte ich ihr von meinem Plan, sie reagierte recht gefasst: „Ich verstehe dich zwar nicht, aber wenn du meinst.“ Also brachte ich bei meinem nächsten Besuch das Formular mit, mit dem sie ihre Zustimmung zu dem Test geben musste. Als sie dessen gewahr wurde, schrie sie mich an: „Wie kannst du mir das antun!“ Dann prügelte sie auf mich ein, immer auf die Brust. Ich sagte: „Hör auf, sonst gibt es ein Echo!“ Da hat sie unterschrieben.

Kuckuckskinder „Es war wie eine Erlösung“

Immo Lünzer war 42 Jahre alt, als er erfuhr, dass sein Vater nicht sein Vater ist. Die Wahrheit brachte ihm jedoch keinen Frieden. Sein Leben wäre anders verlaufen, wenn er von Anfang an seinen leiblichen Vater gekannt hätte. Der Bericht eines Kuckuckskindes.

© DPAVergrößernZwischen den Fronten: Immo Lünzer musste sich mit zwei Vätern arrangieren
Zu meinem Vater - dem Mann meiner Mutter - hatte ich mein Leben lang ein schwieriges Verhältnis. Ich fühlte mich von ihm nicht anerkannt, er interessierte sich nur wenig für mich, ich kämpfte um seine Zuneigung. Nachdem ich von zu Hause ausgezogen war, haben wir uns nur noch selten gesehen. Einmal, da war ich Ende dreißig und er Mitte sechzig, sagte ich zu ihm: „Mensch, das ist ja komisch, dass du noch keine grauen Haare hast und ich schon.“ Er reagierte barsch. Als ich 42 war und schon eine eigene Familie hatte, dachte ich: So kann es nicht mehr weitergehen. Ich bat ihn um ein Gespräch und fragte ihn, warum er mir seine Anerkennung bis zum heutigen Tage verweigere. Gegen Mitternacht, nachdem er schon einiges getrunken hatte, gestand er mir schließlich: „Ich bin nicht dein Vater.“ Dann nannte er den Namen des anderen.
Zuerst konnte ich das gar nicht glauben, aber dann verstand ich auf einmal alles: Warum meine Kinder nicht Opa zu ihm sagen durften. Warum wir nie in sein Ferienhaus durften. Warum da immer diese Distanz zwischen uns gewesen war. Es war wie eine Erlösung: Endlich wurde mir klar, warum es zwischen uns nicht gepasst hatte. Zu seiner Verteidigung gab er an, meine und seine Mutter hätten ihm geraten, mir niemals die Wahrheit zu sagen. Daran habe er sich gehalten, obwohl meine Eltern sich scheiden ließen, als ich acht war, und ich sogar bei ihm und seiner neuen Frau aufgewachsen bin, weil ich nicht aus unserem Wohnort wegziehen wollte wie meine Mutter.
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Endlich ist es raus
Meine Mutter stritt nach dieser Offenbarung weiterhin alles ab. Aber immerhin erzählte sie mir, dass dieser Mann, den mein Vater als meinen Erzeuger genannt hatte, noch lebte. Er sei ein Exfreund von ihr. Gemeinsam fuhren wir zu ihm, und er gab nach einem längeren Gespräch in einem Café zu, dass ich sein Sohn sei. Erst in diesem Moment bestätigte sie das. Dabei benahmen sich die beiden nicht wie Eltern, sondern wie Bekannte. Mein Gefühl dabei war: Endlich ist es raus.
In diesem Gespräch erfuhr ich, dass mein Erzeuger - nennen wir ihn Karl - die ganze Zeit über gewusst hatte, dass er mein Vater war. Aber er hatte sich an die Anordnung meiner Mutter gehalten, es mir zu verschweigen. Dabei hatte er meinen Werdegang genau verfolgt. Er zeigte mir ein paar Zeitungsartikel, die ich geschrieben hatte, und einen Leserbrief von mir aus dem „Stern“. Die hatte er ausgeschnitten und gesammelt. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich Liebesbriefe gefunden, die er ihr geschrieben hat und die sie bei Freunden aufbewahrt hatte. Aus ihnen geht hervor, dass er sie nach meiner Geburt noch besucht hat, und später bin ich anscheinend monatelang einen Käfer gefahren, der zunächst ihm und dann meiner Mutter gehört hatte. Doch niemals zuvor hatte ich seinen Namen gehört.
Keine Chance auf eine Familie
Ich hatte natürlich die Illusion, dass man seinen leiblichen Vater erkennt, wenn man ihm gegenübersitzt. Aber so war es nicht. Er war nicht der Mann, den ich gesucht hatte. Er sah mir nicht besonders ähnlich. Und gefühlsmäßig konnte ich nicht erleben: Er ist es. Auch er konnte mir nicht geben, was ich vermisste: Vertrauen, Stütze, Kraft, Anerkennung. Wenn ich heute „Vati“ sage, meine ich meinen sozialen Vater.
Ich habe Karl nur dieses eine Mal gesehen. Weitere Besuche waren geplant, aber wenige Monate nach unserem Kennenlernen starb 1997 zunächst er und wenige Wochen darauf meine Mutter. Ich habe dann versucht, eine neue Beziehung zu meinem sozialen Vater aufzubauen. Ich hatte die Illusion, das sei möglich, wo doch nun das Geheimnis offenbar geworden war. Doch er blieb distanziert. Inzwischen ist auch er gestorben. Er war Jurist und sehr vermögend und hat mir Immobilien hinterlassen, so dass ich meinen Beruf als Agrarjournalist und Stiftungsvorstand nicht mehr ausübe. Die Erbschaft hat dazu geführt, dass ich kaum noch arbeiten muss. Ich bin 57 und engagiere mich als Karma-Coach. Ich habe auch eine Rückführungstherapie gemacht in die Zeit meiner Zeugung. Da konnte ich die Liebe meiner Mutter zu meinem leiblichen Vater spüren.
Meiner Mutter konnte ich nicht vergeben
Das Tragische an der Beziehung zwischen Karl und mir ist, dass er mich geliebt hätte, wenn er gedurft hätte. Das habe ich gespürt. Obwohl er noch einen weiteren Sohn hat, den ich inzwischen auch kennengelernt habe, wollte er mir etwas vererben. Aber das hat meine Mutter ihm verboten, und er hat sich daran gehalten. Ich glaube, sie haben einander ihr Leben lang geliebt. Aber Karl hatte nicht studiert, mein sozialer Vater hingegen schon. Meine Mutter hat sich für die bessere Partie entschieden, aber auch meinen sozialen Vater hat sie zweifellos geliebt.
Ich bin mir sicher: Mein Leben wäre anders verlaufen, wenn ich von Anfang an gewusst hätte, wer mein leiblicher Vater ist. Ich wäre ein anderer Mensch. Ich hätte nicht mein Leben lang um Anerkennung kämpfen müssen. So aber gab ich mich extrovertierter, als ich bin, um diese Anerkennung zu bekommen: Ich lief barfuß in die Schule, war Stadtschulsprecher, später war ich „jemand“ in der Bioszene. 2001 hatte ich den ersten Burn-out, es folgten zwei weitere, zwei Lungenentzündungen und eine Leberentzündung.
Meiner Mutter habe ich noch nicht richtig vergeben können. Sie sagte zu mir: „Ich konnte nicht anders, vergib mir.“ Aber das ging bis jetzt noch nicht. Sie hat all die Jahre über gesehen, dass es nicht lief zwischen mir und meinem sozialen Vater. Ein Wort von ihr hätte genügt, um diesen Zustand zu beenden. Aber sie zog es vor, ihre Lebenslüge aufrechtzuerhalten. Auf meine Kosten.
Die Frage, wer mein Vater ist, kann ich nicht beantworten, obwohl ich auch Familienaufstellungen nach Hellinger gemacht habe. Es verschiebt sich immer wieder. Klar ist nur, dass es nicht zu klären ist.

Aus dem Gerichtsalltag: Von Kuckuckskindern und Schmerzensgeld für verlorene Liebe



Das jüngst reformierte Familienrecht beschäftigt nicht nur die untergeordneten Gerichte, sondern nicht selten auch den Obersten Gerichtshof (OGH). Die Experten der D.A.S.-Rechtschutzversicherung präsentieren in unserem aktuellen Rechtstipp eine Zusammenstellung jüngster OGH-Urteile zum Familienrecht.

"Die Liebe ist ein seltsames Spiel" sang die Amerikanerin Connie Francis im Spätsommer 1960 und landete damit einen Hit. Wenn die Liebe erkaltet und eine Beziehung auseinanderdriftet spielen sich manchmal Dramen ab, die mitunter auch die Gerichte beschäftigen. Selbst der OGH muss sich in regelmässigen Abständen mit den Folgen so mancher Liebesbeziehung auseinandersetzen. Im folgenden eine Übersicht aktueller Urteile des OGH, die vor allem in rechtlicher Hinsicht bemerkenswert sind.

8 Ob 120/11x : Von Kuckuckskindern kann Mann sich nicht unbefristet lossagen

Vorgeschichte: 1984 - Die Welt der Eheleute Z. ist in Ordnung: Eine Tochter wird geboren. Drei Monate später gesteht die Mutter, dass sie zur kritischen Zeit ein Techtel-Mechtel mit einem Jugendfreund des Mannes gehabt hat und die Vaterschaft somit zweifelhaft ist. Abgesehen von einem Ehekrach bleibt die Ehe aber aufrecht, erst 1999 wird sie geschieden. Im April 2000 wird auch die Tochter informiert, dass der Vater möglicherweise gar nicht der leibliche ist – und deswegen auch keinen Unterhalt für sie bezahlt. Über Umwege erfährt auch der Vater von diesem Gespräch.

11 Jahre später will sich der Vater auch offiziell von der Tochter lossagen und stellt bei Gericht einen Antrag auf Feststellung, dass die Tochter nicht aus der Ehe mit Frau Z. stammt.


So hat der OGH entschieden:

Obwohl durch ein biologisches Gutachten festgestellt werden kann, dass Herr Z. als Vater auszuschließen ist, wird sein Antrag wegen Fristversäumung zurück gewiesen:

Auch wenn anfangs nur ein – wenn auch gravierender – Verdacht bestanden hat, spätestens im Jahr 2000 - als auch die Tochter entsprechend informiert wird - hat die Antragsfrist zu laufen begonnen.

Nach § 158 ABGB kann der Antrag auf Feststellung, dass ein Kind nicht vom Ehemann stammt, binnen zwei Jahren ab Kenntnis der dafür sprechenden Umstände gestellt werden.

Und: Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes kann nur mehr das Kind selbst die Feststellung der Nichtabstammung begehren. 

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